Edmund von Holtum - Tierzucht

Edmund von Holtum mit seiner neunjährigen Hündin Jule

Edmund von Holtum
Traarer Landwirtschaftsmeister, Vordenker und Identifikationsfigur 

Der selbstverständliche und kritiklose Umgang mit unserer Ernährung gehört spätestens seit dem BSE-Skandal Mitte der 1990er Jahre der Vergangenheit an. Die Bilder der im Todeskampf zuckenden Rinder sind uns noch genauso im Gedächtnis verhaftet wie die sich wiederholenden  Schlagzeilen über Geflügel- und Schweinepest. Wir hören Horrormeldungen über Gammelfleisch, Antibiotika- und Steroidmissbrauch und müssen uns vorstellen, dass in der  preisgünstigen Lasagne von gestern Abend vielleicht Pferdefleisch enthalten war. Wir fühlen unsere Gesundheit bedroht und sind auf der Suche nach sicheren Alternativen irritiert, weil selbst das Bio-Siegel nicht immer ein gesundes und gefahrloses Nahrungsmittel garantiert. Dabei gibt es unter den Erzeugern seit geraumer Zeit die Mahner und Bedenkenträger. Und einer, der sich an vorderster Front ein Leben lang für eine artgerechte, risikoarme und trotzdem den Bedürfnissen der modernen Konsumgesellschaft angepasste Tierhaltung engagiert hat, ist der Traarer Landwirtschaftsmeister, Agrarexperte und hoch dekorierte Verbandsaktivist Edmund von Holtum.

Wie als äußeres Zeichen seiner zurückhaltenden Art finden wir an der Kemmerhofstraße in Höhe der Stelle, wo wir das Haus unseres Gesprächspartners erwarten, erst einmal… nichts. Zu dem idyllisch gelegenen Besitz von Holtums gelangt man nämlich nur über eine versteckt liegende schmale Zufahrt in einiger Entfernung. Mit jedem Meter hin zu dem weiß gestrichenen, schmucken Milserhof entfernt man sich ein Stück mehr von der geschäftigen Atmosphäre des Traarer Zentrums. Peu à peu öffnet sich der Blick auf die beeindruckende Weite der Golfanlage an der Elfrather Mühle, denn das seit Generationen im Familienbesitz befindliche Anwesen liegt unmittelbar an dem mit typisch niederrheinischem Bewuchs angelegten Gelände. Hier glaubt man sich auf Du und Du mit Rehen, Hasen und Fasanen, und das Gefühl, nicht mehr weg zu wollen, begleitet uns während des gesamten folgenden Gesprächs.

Wir betreten den gepflegten Innenhof, der die Zeichen bäuerlicher Betriebsamkeit mittlerweile verloren hat, und auf unser Klingeln hin durchdringt kräftiges Hundegebell die nachmittägliche Stille. Als uns Edmund von Holtum die Tür öffnet, begrüßt uns dann auch Jule, seine neunjähre Deutsch Drahthaar-Hündin. Hunde wie Jule sind die klassischen Begleiter eines passionierten Jägers, und während wir von dem freundlich und vital wirkenden Hausherrn durch verschiedene Räume hin zu seinem mit Panoramafenstern ausgestattetem Wohnzimmer geleitet werden, zeigen uns die vielen, teils seltenen Jagdtrophäen an den Wänden, dass er wohl nichts in seinem Leben mit halbem Herzen  macht. Nein, man merkt ihm seine 76 Jahre nicht an, und wie zum Beweis seines fortgeschrittenen Alters zeigt er uns die Urkunde seiner 50-jährigen Tätigkeit als Landwirtschaftsmeister. Eine Berufsbezeichnung, die damals einen zweisemestrigen Besuch der Landwirtschaftsschule in Krefeld Königshof mit dem Abschluss der Gehilfenprüfung und für von Holtum 1965 einen sechswöchigen Vollzeitkurs an der Fachschule für Landbau in Kempen mit abschließender Meisterprüfung vorschrieb. Da die Landwirtschaft mehr ein Fulltime-Job ist, verlangte sie damals wie heute dem Studierenden große persönliche Opfer ab. Zielstrebig war Edmund von Holtum immer und leidenschaftlich obendrein, denn etwas anderes als Landwirtschaft und im Speziellen die Schweinezucht kam für ihn nie in Frage. Daran änderte auch der Besuch des Moltke Gymnasiums nichts, das er in den fünfziger Jahren mit der Mittleren Reife verließ. Bei allem zukünftigen betriebswirtschaftlichen Kalkül waren Tiere für ihn niemals nur Mittel zum Zweck. Seine Gedanken gehen zurück in die Zeit, in der er als Junge sämtliche Kühe im väterlichen Betrieb erkennen, bei ihrem Namen nennen und ihre individuellen Eigenschaften und ihr Leistungsvermögen wie kaum ein anderer beurteilen lernte.

So war es nur selbstverständlich, dass ihm 1966 nach dem frühen Tod des Vaters als ältestem Sohn, bei drei Schwestern und einem jüngeren Bruder, die Verantwortung für das Gehöft zufiel. Aber als wäre die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes für einen 27-Jährigen nicht schon aufwendig genug, entwickelte er Ideen und Visionen, insbesondere für eine ökonomische und ökologisch orientierte Schweinezucht. Er konzipierte für sich ein System für eine bessere Seuchenhygiene und eine profitablere Zucht- und Vermarktungsstrategie. Seine Gedanken waren Ende der 60er Jahre neu, und man wurde im Verband auf den jungen und erfolgreichen Unternehmer aufmerksam.

Edmund von Holtum - Tierzucht

Mit Bescheidenheit, aber nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme, erzählt von Holtum, dass er sich nie in die Verantwortung gedrängt habe, aber die damaligen Defizite in der Tierhaltung erkannt hatte und seine Lösungsvorschläge bei den Verantwortlichen auf fruchtbaren Boden fielen. Man schätzte seine Fähigkeiten, sah in ihm einen Glücksfall für die Berufspolitik und berief ihn bereits mit 30 Jahren  in den Vorstand des Landesverbandes rheinischer Schweinezüchter. So etablierte er Anfang der siebziger Jahre an verantwortlicher Position mit der Wiederbelebung des Krefelder Schlachthofes die Idee der kurzen Wege vom Erzeuger zum Verbraucher. Später entwickelte der Zuchtverband unter seiner Führung ein beispielgebendes Zuchtprogramm, das eine gesunde und stressstabile Schweinehaltung ermöglichte.

Aber damit nicht genug. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht erzählt der rüstige Senior von seiner Arbeit, zunächst im Beirat und später als Vorsitzender der Tierseuchenkasse NRW. Hier wirkte er über 30 Jahre hinweg mehrfach am Krisenmanagement während verschiedener Seuchenausbrüche mit und konnte zwischen betroffenen Landwirten und der staatlichen Veterinärverwaltung erfolgreich vermitteln. Unbeabsichtigt hatte er von sich Reden gemacht. Er wurde Mitglied des Vorstandes der Genossenschaft zur Förderung der Schweineproduktion, und so gelang es ihm, nicht zuletzt dank seiner verbindlichen und kollegialen Art, auch bundesweit Einfluss auf die notwendigen strukturellen Veränderungen in der Fleischerzeugung zu nehmen.

Beim Thema Massentierhaltung wird Edmund von Holtum sehr ernst und nachdenklich und zeigt sich als Anwalt für eine Schweinehaltung nach modernen Maßstäben. Sachlich und mit einfachen Worten beschreibt er die staatlich festgelegten Kriterien und Vorschriften für eine risikoarme, sach- und tiergemäße Fleischproduktion und die damit verbundenen Anforderungen an die Zucht- und Mastbetriebe. Schnell wird klar, dass sich die Verhütung von Tierseuchen nur mit großem technischen und infrastrukturellen Aufwand realisieren lässt und sich die damit verbundenen Investitionen nur über hohe Produktionszahlen amortisieren.

„Als wäre die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes für einen 27-jährigen nicht schon aufwendig genug, entwickelte er Ideen und Visionen insbesondere für eine ökonomische und ökologisch orientierte Schweinezucht.“

Danach plaudert der drahtige Mann, wie beiläufig, mit strahlenden Augen über seine Tätigkeit in der Landwirtschaftskammer, als Ortslandwirt von Krefeld und später als Kreislandwirt für Krefeld und Viersen, von seiner Mitgliedschaft im Landschaftsbeirat der Stadt Krefeld und seiner Vorstandsarbeit bei der Kreisjägerschaft. Und während der Zuhörer sich noch fragt, wie von Holtum all diese Ehrenämter mit Sinn und Leben füllen konnte, spricht er schon wieder von einer anderen großen Liebe, und die gehört Kanada. Er schwärmt von seinem lieben Freund, den er dort seit vielen Jahren regelmäßig besucht, von der unendlichen Weite dieses Landes und den Möglichkeiten, die sich dem landwirtschaftlich Interessierten dort bieten. Mit einem Zwinkern in den Augen erzählt er von der Trekking-Tour, auf der er und seine Begleiter gezwungen waren, ihren über Nacht entlaufenen Pferden über eine Distanz von 15 Kilometern zu folgen und sie wieder einzufangen. Auf der Jagd nach besseren Weidegründen war es den Pferden nämlich gelungen, trotz angelegter Fußfesseln das Weite zu suchen. Dann wieder wandern seine Gedanken hin zu seinen beiden Töchtern, von denen die eine mit ihrer Familie in Osterath einen von ihm vor Jahren erworbenen landwirtschaftlichen Betrieb führt und wo sie unter anderem 45 Einstellpferde betreut. Er zeigt mit Stolz die Bilder seiner fünf Enkel, insbesondere das der Zehnjährigen, die im Begriff ist, sich als ambitionierte Reiterin einen Namen zu machen, verhehlt aber auch nicht die schwere Zeit nach dem frühen Tod seiner Ehefrau vor 13 Jahren. Um Abstand zu gewinnen, unternahm er damals viele Bildungsreisen mit seinem Bruder Manfred, dem ehemaligen Generalvikar des Bistums Aachen und jetzigen Domprobst des Aachener Doms. Manfred von Holtum war es auch, der ihm riet, nicht nachzulassen in seiner Arbeit und vor vier Jahren in einer Kapelle des Aachener Doms der zweiten Ehe seines Bruders Edmund und seiner neuen Lebensgefährtin Gisela Aretz den kirchlichen Segen erteilte.

Irgendwann im Laufe des Nachmittages ist uns klar geworden, warum Kollegen, Freunde und Berufspolitiker wie der damalige Landwirtschaftsminister Klaus Matthiesen, der Präsident des Bauernverbandes Constantin Freiherr Heereman oder die ehemalige Umweltministerin Bärbel Höhn  den Rat und das Gespräch mit dem passionierten Ehrenamtler suchten und eine besondere berufliche wie später auch private Verbundenheit immer noch zwischen ihm und dem einstigen NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg besteht.

Edmund von Holtum - Tierzucht

Edmund von Holtum nimmt seine Verantwortlichkeiten ernst, nennt die Dinge beim Namen, ermittelt und vermittelt, setzt sich ein und durch und bleibt dabei ein großer Tier- und Menschenfreund. Wen wundert es da, dass er neben vielen anderen hohen Auszeichnungen im Jahre 2004 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt wurde? Und auf die Wünsche für seine persönliche Zukunft angesprochen, fällt ihm spontan nur einer ein: „In Bewegung bleiben.“