„Unsere Mitarbeiter befinden sich zurzeit alle in einer Schiesserei!“

Über das ewige Leid mit den Ansagediensten

Wieder einmal hänge ich in einer Warteschleife. Diesmal beim Kundenservice meiner Kühl-Gefrierkombination. Aus meinem Hörer krächzt der Song „Take it easy, altes Haus“ der Band Truck Stop wie von einem Grammophon auf Streusalz, hin und wieder unterbrochen von der blutleeren Ansage: „Ihre geschätzte Wartezeit beträgt 10 Minuten.“ Warteschleifen sind ein Folterwerkzeug entmenschlichter Kommunikation und wer machtlos am falschen Ende der Leitung vor sich hin stoffwechselt, der kommt mitunter auf bösartige Gedanken.
An meinem Haus fährt gerade ein Streifenwagen vorbei und so stelle ich mir spontan einen 0800110 Ansagedienst der Polizei vor. Das wäre wahrscheinlich so: Zunächst signalisiert mir die Titelmusik aus
„Der letzte Bulle“, mit wem ich verbunden bin. Danach schmettert mir eine schmerzhaft gutgelaunte Computerstimme ein „Herzlich willkommen bei der Notfall-Hotline Ihrer Krefelder Polizei“ ins Ohr.
„Möchten Sie einen Mord melden, wählen Sie bitte die Eins. Bei Bankraub ohne Geiselnahme wählen Sie bitte die Zwei. Bei Bankraub mit Geiselnahme wählen Sie bitte die Drei. Bei gefährlicher Körperverletzung, Menschenhandel oder Vergewaltigung wählen Sie bitte die Vier. Wünschen Sie eine Beratung durch eine uniformierte Servicekraft, wählen Sie bitte die Fünf. In allen anderen Fällen wie z. B. Einbruch, Diebstahl oder Verkehrsunfall benutzen Sie bitte das Anzeigenformular für ihr jeweiliges Wunschdelikt in unserem Online-Shop. Im Weiteren möchten wir Sie auf die Vorteile unserer interaktiven „YouBulle“-App hinweisen.
Melden Sie fünf Falschparkvergehen Ihrer Wahl und werden Sie Mitglied in unserer Premium-Hundertschaft. Als solches erhalten Sie ein Jahr lang kostenlosen Zugriff auf „Copsdome“, dem Livestream der Polizei NRW und nehmen hautnah an Fahndungen, Festnahmen, Verhören und Verurteilungen Ihrer Lieblingsganoven teil.
Wir weisen Sie abschließend darauf hin, dass einzelne Anrufe zur Verbesserung unserer Servicequalität von der NSA aufgezeichnet werden können.“ Wenn Du dann eine der oben genannten Nummern wählst, kommt, was kommen muss. Du hängst in der Warteschleife. Wieder die Musik von „Der letzte Bulle“, diesmal unterbrochen von dem automatischen Hinweis: „Unsere Mitarbeiter befinden sich zur Zeit alle in einer Schiesserei. Sobald wie möglich werden wir Ihren Anruf an einen unverletzten Kollegen weiterleiten.“ Nach zwanzig Minuten dann der Rauswurf: „Leider sind zur Zeit alle Leitungen überlastet. Sie können uns aber nach dem Martinshorn eine Nachricht hinterlassen. Wir weisen Sie vorsorglich darauf hin, dass Sie gemäß §55 der Strafprozessordnung das Recht haben zu schweigen. Sollten Sie davon Gebrauch machen wollen, dann sprechen Sie bitte ein deutliches „Ja“ nach dem Signalton. Andernfalls kann alles, was sie sagen, gegen sie verwendet werden.
“ Ich bin fertig. Allein die Vorstellung, dass ich mich in meiner Not nicht mehr einem erfahrenen Beamten, sondern einem seelenlosen Automaten anvertrauen müsste, bereitet mir einen Herzkasper.
Ich konstatiere „Cop statt Chip“ und wer jemals aus Personalersparnis ernsthaft an die Einführung derlei Technik denken sollte, der gehört in Einzelhaft mit der permanenten Ansage: „Wünschen Sie Ihr Wasser und Brot im Blechnapf, dann wählen Sie bitte die 1. Soll Sie der Teufel holen, dann wählen Sie bitte die 2.“

 

Ihr Wolfgang Jachtmann

 

Kolumnist Wolfgang Jachtmann ist promovierter Mediziner, Komponist, Musiker, Liedtexter und seit Neuestem auch Autor. Er schreibt in der KR-ONE über alle Themen, die ihn bewegen.