Gastro-Tipp „Untervegs“: Wer vorangeht, is(s)t lange „Untervegs“

"Gyros"KuchenSalatDessert

Sie ist vorbei, die schöne Zeit. Jahrzehnte lang ist es uns erfolgreich gelungen, den tierischen Genozid und die Zustände der Massentierhaltung aus unseren Köpfen zu verbannen. Dabei war es ganz einfach. Wir haben für Qual, Furcht und Tod einen schweigsamen Mittelsmann eingesetzt. Damit ein Stück Fleisch eine kulinarische Köstlichkeit bleibt und wir die Illusion der glücklich weidenden Milchkuh aufrecht erhalten können. Inzwischen bricht die Wahrheit durch die dicke Kruste der gesellschaftlichen Konditionierung. Während wir Tiere wie Hund und Katze als Personen betrachten, deren Integrität und Rechte wir schützen und achten, haben wir andere zu Nahrungsmitteln degradiert. Mehr noch: Wir tolerieren mehrheitlich ihre bestialische Massenvernichtung._SIM4968-KopieEs ist genau diese Erkenntnis, die Gerrit und Kristina Mohr bereits vor Jahren die Entscheidung treffen ließ, sich gänzlich ohne Tierprodukte zu ernähren. Der Exil-Münsteraner und die geborene Krefelderin sind alles andere als missionierende Glaubensritter oder moralinsaure Weltverbesserer, die stets mit dem erhobenen Zeigefinger wedeln. Auch ein Grund, warum ihr veganes Restaurant „Untervegs“ so gut besucht ist. Inmitten bröckeliger Fassaden des sozialen Brennpunkts der Dießemer Straße hat sich das charismatische Ehepaar ein Hinterhof-Idyll geschaffen. Ein Kleinod, flankiert von einem Friseur und einem Tätowierer. Ideal für eine kulinarische Auszeit von der urbanen Hektik.

„70 Prozent unserer Gäste sind gar keine reinen Veganer“, verrät Kristina nicht ganz ohne Stolz. Denn: Haftete der tierproduktlosen Küche lange der Makel der Genusslosigkeit an, sei diese Zahl doch der beste Gegenbeweis. „Die meisten kommen, weil sie unser Essen einfach lecker finden“, führt sie fort. Es ist die Ausrichtung des Gastro-Konzepts, das einst als mobiler Wagen auf Festivals begann, dann zu einem festen Stand am Krefelder Stadtmarkt wurde und seine finale Destination im Projekt Hinterhof fand, die diesen Trend begünstigte. „Wir wollten eine vegane Alternative zu bekannten Fastfoodgerichten wie Gyros oder Burgern bieten, um die Hemmschwelle für Nicht-Veganer zu senken. Deshalb arbeiten wir auch heute noch mit vielen Fleischersatzprodukten wie Seitan und Tofu“, erklärt die 40-jährige Köchin, die einem Jägerhaushalt entstammt. Und Gerrit ergänzt: „Es ist schon toll, wenn Menschen das erste Mal einen veganen Burger bei uns essen und zu dem Urteil kommen, dass er besser schmeckt als mit Fleisch, gesünder ist er ohnehin.“

Urheberin der kulinarischen Köstlichkeiten ist Kristina, die einst Psychologie studierte und ihre Fähigkeiten an Töpfen und Herd von ihrer Mutter erwarb. Ihr eigenes Genussbedürfnis hatte sie dazu getrieben, etliche Stunden in die Entwicklung neuer Gerichte zu investieren. „Ich wollte einfach gut vegan essen. Das war gar nicht so leicht. Also habe ich lange experimentiert, bis ich erkannte, wie man richtig würzt und Geschmack an die Produkte bekommt“, erklärt sie. Gerrit, der Mann mit dem Entertainer-Gen und der Vergangenheit in der Musikbranche, ist indes Maître und Chef-Unterhalter. Stets trägt er ein Lächeln und einen flotten Spruch auf den Lippen. Gemeinsam ist das Paar das „duo veginale“, das abseits der Prachtboulevards das Epizentrum veganer Kochkunst in Krefeld installiert hat, dessen Eruptionen scheinbar weit über die Stadtgrenzen reichen. Inzwischen kämen nämlich viele Gäste aus dem angrenzenden Umland, wie sie sagen.

„Es ist schon toll, wenn Menschen das erste Mal einen veganen Burger bei uns essen und zu dem Urteil kommen, dass er besser schmeckt als mit Fleisch, gesünder ist er ohnehin.“

UnterVegs Krefeld Vegetarisches Restaurant

Probiert man sich einmal quer durch den „Gemüse-Garten“, wird schnell deutlich, warum es Gerrit und Kristina in Rekordgeschwindigkeit gelungen ist, eine solide Fanbase aufzubauen. Ob Grünkohl-Curry, Soja-Gyros, Marrakesch-Burger mit Falafel-Patty, die vegane Curry-Wurst oder Linsensuppe, wirklich alle Gerichte auf der wöchentlich wechselnden Speisekarte bestechen durch Geschmack, Textur und Optik. Erst wenn alles auf den Punkt passt, ist die virtuose Kochlöffelschwingerin zufrieden: „Ich tüftele solange, bis ich wirklich selbst überzeugt bin. Erst dann servieren wir es unseren Gästen.“ Dass alle Speisen bei „Untervegs“ frisch und ohne Zusatz- oder Konservierungsstoffe zubereitet werden, ist für Gerrit und Kristina dabei ebenso selbstverständlich wie wichtig. „Konserven wird man in unserer Küche nicht finden“, sagt Gerrit und schüttelt den Kopf. Will man jeden Baustein im Mosaik des gastronomischen Erfolgs beleuchten, so ist der Blick auf das Ambiente essenziell. Der Hof im Zengartenstil, der Gastraum in einer Mixtur aus Lesestube, Bistro und barock anmutendem Krimskramsladen. Individuell, einladend und gemütlich. Ein Hort der Kreativität und des Idealismus. Genau das schätzen die treuen „Untervegs“-Anhänger mindestens ebenso wie das Peacefood auf dem Teller.

UnterVegs Krefeld Vegetarisches Restaurant

Wer heute vegan lebt, wendet sich bewusst ab von dem, was andere für Fortschritt halten. Die Essgewohnheiten der Eltern und Großeltern, für die mit Braten und Sahnetorte auch eine Bestätigung der eigenen Kaufkraft und des sozialen Aufstiegs auf dem Teller lag, erscheinen der umweltbewussten Kinder-Generation längst nicht mehr zeitgemäß. Für sie geht es um soziale Gerechtigkeit und Mitgefühl, aber natürlich auch um Genuss, der anno 2016 zumindest in einem Krefelder Hinterhof nichts mehr mit toten Tieren zu tun hat.

Untervegs, Dießemer Straße 166, 02151 6494001,www.facebook.com/untervegs