„Mut, Glaube, Fleiß“ steht in großen Lettern neben seinem Konterfei auf einem der großen Werbebanner der jüngst umgetauften Yayla Arena. Uwe Fabig steht für alle diese Attribute, für Fleiß allerdings besonders. Mit überschaubarem Talent in seine Karriere gestartet, war es harte Arbeit, die ihn bis in die erste Liga brachte. Doch Fabig war nicht nur hart zu sich selbst, sondern auch zu seinen Gegnern. Über 15 Stunden verbrachte er zwischen 1981 und 1992 insgesamt auf der Strafbank. Dabei war Fabig kein Schläger, er selbst bezeichnet seine Spielweise rückblickend als „körperbetont“. Doch viel wichtiger als seine zupackende Art waren seine Eigenschaften als Teamplayer. Er war der soziale Kitt, der die KEV-Aufstiegsmannschaft von 1991 zusammenhielt. 2014 wurde er dafür in die Hall of Fame des Krefelder Eishockeys aufgenommen. Die späte Würdigung eines Mannes, den neben Fleiß vor allem zwei weitere Eigenschaften kennzeichnen: Humor und Warmherzigkeit.
Die Lockenpracht ist ein wenig licht geworden und hat die Farbe gewechselt, ansonsten steht der Ehrenkapitän da, als könnte er noch die Schläger auf Bundesliganiveau kreuzen. Uwe Fabig hat die Statur eines katalanischen Stieres und die Aura eines Spitzbuben. Er lacht, als er sich seine alten Autogrammkarten ansieht. „Ehrlich gesagt, hätte ich es damals nie für möglich gehalten, einmal in der ersten Bundesliga zu spielen“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Ich hatte einfach immer Spaß am Hockey, der Rest hat sich einfach so ergeben.“ Aus Spaß am Hockey sind 460 Spiele in der 2. und noch einmal 44 in der Beletage des deutschen Eishockeys geworden. Elf Profijahre, in denen er das Krefelder Eishockey prägte und seinen eigenen Legendenstatus zementierte. Unzählige Anekdoten ranken sich um den Verteidiger mit der Nummer 2, die sich die Ur-Fans der Pinguine in bierseliger Laune immer noch gerne über den Tresen raunen. Unvergessen sind die Manöver, die er mit seinem kongenialen Trainer Mike Zettel in jenen Tagen ausheckte, um den Gegner aus dem Konzept zu bringen oder seine Streiche, die er Mitspielern und Schiedsrichtern spielte.
Fabig hält ein Schwarz-Weiß-Foto in seinen Händen. Darauf abgebildet ist er umringt von rund 15 weiteren Eishockeynovizen mit Gretzky-Schüsseln auf den Köpfen und wild zusammengewürfelten Protektoren am Körper. „Es war mein Opa, der mir das Eishockeyspielen ermöglichte. Meinen Eltern war die Ausrüstung zu teuer“, sagt der heute 57-Jährige mit Blick in seine Anfangstage. Damals, 1968, war Eishockey in Krefeld eine Glaubensfrage. Der KEV und Preussen waren seinerzeit Konkurrenten wie Hertha und Union. Es gab nicht beide, sondern nur Entweder-oder. „Mein Vater war Anhänger von Preussen, mein Opa glühender Fan des KEV. Weil er der Sponsor war, fingen mein älterer Bruder und ich beim KEV an“, so Fabig weiter. Der Beginn einer lebenslangen Liebesgeschichte mit nur kurzen Unterbrechungen.
Bis zur Pubertät ist Fabig nicht von seinen Qualitäten überzeugt. Zu viele talentiertere und technisch versiertere Mitspieler stehen nach seinem Dafürhalten in den eigenen Reihen. Doch dann ist plötzlich Charakter gefragt. „Mit 15 Jahren kommt die große Weiche. Die einen entdecken Wein, Weib und Gesang, die anderen bleiben am Ball“, sagt er und zuckt mit den Schultern. „Ich gehörte zur zweiten Kategorie, und auf einmal merkte ich, dass ich nicht nur aufholte, sondern sogar an vielen früher deutlich besseren Spielern vorbeizog.“ Diese, seinen Charakter prägende, Arbeitermentalität, bestimmte sein Leben fortan auch abseits des Eises. Parallel zum Sport macht er zunächst die Mittlere Reife, lässt sich zum Schlosser und technischen Zeichner ausbilden, ehe er mit Mitte zwanzig durch die Beziehung zu seiner ersten Frau zum Glaser umschult. Immer, auch während der Blütezeit seiner Profikarriere, steht er in Lohn und Brot, stemmt trotz zweier Trainingseinheiten pro Tag die Doppelbelastung. „Ich hatte einfach den Drang, mehr zu machen, als nur Eishockey zu spielen“, sagt er lakonisch und ergänzt: „Vielleicht lag es daran, dass ich zunächst gar nicht davon ausging, Profi zu sein.“
Anfang der Achtziger hatte „Profi-Eishockey“ in Krefeld tatsächlich wenig Schillerndes. Rookies wie Fabig bekamen 400 D-Mark pro Monat, aber auch nur während der Saison. „Ich hatte damals einen uralten VW Käfer, den ich mit dem Geld unterhielt. Irgendwann stand die Versicherung an, und ich bat den Verein um 300 Mark. Als mir diese verwehrt wurden, war ich so sauer, dass ich heimlich über Beziehungen zu einem Probetraining zum E.V. Füssen fuhr, der damals in der 1. Bundesliga spielte. Sie wollten mich haben, aber der Sprung nach Bayern war dann doch zu groß und die Beziehung zum KEV zu stark“, erinnert er sich. Trotzdem musste er einmal weg, um den Azubistatus abzulegen. „Das Jahr in Kassel war eines der besten meines Lebens. Als ich zurückkam, wurde ich plötzlich ganz anders behandelt.“ Vor allem Vic Stanfield nimmt sich seiner an, wird sein Ziehvater auf und abseits des Eises. Erst zeigt er ihm, wie man sich rasiert, dann übergibt er Fabig gar das Amt des Spielführers. Noch heute eint die beiden eine tiefe Freundschaft. Jedes Jahr treffen sie sich zum Golfen in den USA.
Fabig wird beim KEV nicht nur Spielführer, sondern auch Integrationsfigur. Er hat die Rolle des Entertainers, wie er es zuvor bei Uli Wiefels erlebte. Er kennt seine Pappenheimer in- und auswendig, weiß bei jedem die richtigen Knöpfe zu drücken. Trotzdem scheint dem KEV in jenen Tagen das Schicksal der ewigen Zweitligamannschaft zu drohen, bis schließlich Uli Urban das Zepter in der Geschäftsführung übernimmt. Ein Mann, auf den Fabig bis heute nicht nur aufgrund der Tatsache, dass er ihn nach seiner Karriere zum Ehrenspielführer ernannt hat, große Stücke hält. „Uli hat es geschafft, aus einer Mannschaft eine Familie zu machen. Neue Spieler wurden sofort integriert, Störenfriede abgestoßen. Wir sind damals immer nach den Heimspielen ins Karussell gegangen, wo die Fans schon auf uns warteten. Das hat mit dem sterilen Profigeschäft von heute nicht viel zu tun“, erzählt der Vater von vier Kindern und verweist auf Urbans geschäftsführerische Qualitäten: „Natürlich hat er damals auch mit Blick auf die Transferpolitik einen super Job gemacht. Nachdem das Aufstiegsjahr wirklich mies begann, gelang es ihm, Spieler wie Karel Lang, Peter Jedrus und Froncois Sills nach Krefeld zu lotsen. Damit wurde qualitativ der Grundstein gelegt.“
Untrennbar mit dem Aufstieg verwoben ist allerdings eine weitere Personalie: Trainer Mike Zettel. „Mike war der beste Trainer, unter dem ich je gespielt habe. Er war ein Mastermind, ein Psychologe, der alle Register zog und jeden Spieler zu Höchstleistungen anspornte“, erzählt der damalige Spielführer und schmunzelt beim Gedanken an all die verrückten Dinge, zu denen ihn der Kanadier anstiftete. „Gegen Iserlohn forderte mich Mike einmal auf, dem Gegner weniger Pucks zu geben als uns. Ich gab uns 90 und ihnen zehn. Man muss wissen, dass während des Warmmachens die rote Linie als magische Grenze galt, sie zu überfahren war eine Provokation. Als der Star der Iserlohner Greg Evtushevski die Linie überfuhr, um mehr Pucks zu holen, ging‘s richtig zur Sache. Das Spiel begann mit sechs Strafzeiten, drei für uns und drei für den Gegner. Greg war völlig von der Rolle. Genau das wollte Mike.“
Nach nur einer Saison im Oberhaus des deutschen Eishockeys hängt Fabig mit 33 Jahren die Schlittschuhe an den Nagel. „Ich hatte meinen Zenit einfach erreicht“, begründet er seine Entscheidung. Nachdem ihm zunächst etwas fehlt, stürzt er sich mit dem gleichen Eifer, der ihn als Spieler auszeichnete, in die Selbstständigkeit. Er wettet mit Uli Urban, wer zuerst Meister würde – und gewann. Seine Kunden schätzen dabei die gute Arbeit ebenso wie das kleine Schwätzchen mit einer lebenden KEV-Legende. Den Pinguinen ist er weiterhin treu. Noch in der Rheinlandhalle hatte er immer einen Puck dabei, den er aufs Eis schmiss, wenn er seinen ehemaligen Kollegen eine Atempause verschaffen wollte. Nun, im „besten Alter“, lässt er es etwas ruhiger angehen. In der Yayla Arena schaut er die Spieler wie ein fast ganz normaler Fan. Ein Fan, dessen Name für alle Ewigkeit unter der Hallendecke hängt und nun künftige Generationen zu Mut, Glaube und vor allem Fleiß anspornt. //kor