Orientierungslos wirkende Menschen mit Koffern oder Plastiktüten irren suchend in den Gassen rund um den Rathausplatz herum. Sie gehören inzwischen zum Krefelder Stadtbild. Das sind sie also, einige dieser Flüchtlinge, die dieser Tage entweder als unabwendbare Katastrophe daherkommen, als vermeintliche Bedrohung oder als gesichtslose Kontingente in Statistiken. Müde sehen sie aus. Bei Tageslicht betrachtet sogar ängstlich, und ja, auch fremd. Mit ein bisschen Glück finden sie das Krefelder Rathaus. Von da ist es nicht weit zur Volkshochschule Krefeld. Dort sprechen wir mit dem VHS-Flüchtlingsteam-Koordinator Michael Schreiber.

Flüchtlingsteamkoordinator Michael Schreiber
„Diese Orientierungslosigkeit in den Augen, wenn die Flüchtlinge über den Von-der-Leyen-Platz kommend auf unser VHS-Gebäude zuhalten, das packt mich immer noch“, erzählt der 39-jährige Fachbereichsleiter für berufliche Bildung. Nicht zuletzt diesem Bild, und dem daraus resultierenden Wunsch zu helfen, ist Michael Schreibers Engagement für diese Menschen geschuldet. Die Volkshochschule gründete eine Art A-Team in Sachen Flüchtlingsarbeit. In VHS-Kreisen nennt sich das zwar weniger heroisch noch Arbeitsgemeinschaft, die Aufgabe bleibt jedoch gewaltig. Auch für eine Institution die seit über 30 Jahren Integrationsarbeit in Deutschland leistet. „Diese Aufgabe fordert uns alle. In der VHS ist Teamarbeit gefragt. Das kann ein Kollege alleine nicht schultern“, erklärt Michael Schreiber.
Aus diesem Grund hat die VHS sich, unter Federführung der VHS-Leiterin, Frau Dr. Inge Röhnelt, organisatorisch der veränderten Lage angepasst. Es galt, Kompetenzen zu bündeln, Arbeitsabläufe neu zu denken. Das Ergebnis ist eine langfristig angelegte Kooperation der VHS Krefeld mit Partnern in der Politik, der Stadtverwaltung, bei der Agentur für Arbeit, in lokal ansässigen Unternehmen mit Sponsoren und nicht zuletzt den Kindergärten, Schulen und Sportvereinen.
Besonders gefragt sind derzeit selbstverständlich die Deutsch- und Integrationskurse. Hier ist die Volkshochschule Krefeld nach wie vor die erste Adresse in der Stadt. Zur Bewältigung des Ansturms haben sich die Fachbereichsleiterinnen Doris Schlimnat und ihre Kollegin Fazilet Yardimci Hilfe von Dolmetschern geholt. So kann die Erstberatung und Einstufung der künftigen Deutschlerner zielgerichtet und schnell vorgenommen werden. Eine weitere Neuerung im Beratungsprozess stellt das sogenannte Profiling dar. Die VHS nimmt zusätzlich zu den persönlichen Daten der Flüchtlinge auch eine Art Lebenslauf auf. Durch die Erfassung der Bildungs- und Berufsbiographie ist es nicht nur möglich homogene Lerngruppen zusammenzustellen, sondern auch beste Voraussetzungen für einen späteren Berufseinstig zu schaffen. „Unser gemeinsames Ziel ist es, jeden Menschen, auf welchem Niveau auch immer, in eine Arbeitsstelle zu überführen“, fasst der VHS-Flüchtlingsteam-Koordinator zusammen. Und ergänzt: „Nicht jeder kann oder möchte studieren. Nicht jeder eine Ausbildung in Deutschland machen. Dennoch bemühen wir uns um sinnvolle Angebote für all diejenigen mit Bleibeperspektive.“
Seit dem Sommer 2015 hat die Volkshochschule bereits 600 Teilnehmer auf diese Art und Weise beraten und profiled. Der organisatorische Rahmen für eine professionelle Integration ist hier im Kleinen geschaffen worden. „Alle sind immer noch sehr motiviert“, sagt Michael Schreiber. Auch wenn ihn die Berichte in der Tagesschau zum Thema Flüchtlinge manchmal ratlos zurück lassen, in der täglichen Arbeit bleibt das VHS-Team unbeirrt. Was angesichts der immer noch steigenden Flüchtlingszahlen, auch in Krefeld, sicher wünschenswert ist.
„Unser gemeinsames Ziel ist es, jeden Menschen, auf welchem Niveau auch immer, in eine Arbeitsstelle zu überführen.“
Im Foyer der Volkshochschule herrscht nicht nur ein reges Kommen und Gehen von neuen und alteingesessenen Bildungswilligen. Auch Ehrenamtler finden unter den hauptamtlichen Mitarbeitern kompetente Ansprechpartner, die Hilfestellung anbieten. Inzwischen organisiert die VHS unterstützende Kursangebote für ehrenamtliche Sprachvermittler. Geschult wird in interkulturellen und methodisch-didaktischen Grundlagen der Sprachvermittlung. „So voll habe ich das Foyer in den letzten zehn Jahren noch nicht gesehen, wie am Abend der Infoveranstaltung für Ehrenamtler“, berichtet Michael Schreiber. „Diese herausragende Hilfsbereitschaft der Krefelderinnen und Krefelder begleiten wir gerne mit unseren Angeboten. Unterstützt werden wir dabei von unserem ehemaligen Leiter und aktuellen Flüchtlingskoordinator der Stadt Krefeld, Dr. Hansgeorg Rehbein.“
Sozusagen als Nebenwirkung der Entwicklung all dieser Ansätze und Ideen ist dann auch das passiert, was immer passiert, wenn Menschen sich intensiv mit anderen Menschen befassen: Es entstanden Freundschaften. Über Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede hinweg. Einfach so. Daraus ist im hauseigenen Bistro Colonnade ein regelmäßiger Sprachtreff entstanden. Lebenspraktische Fragen werden erörtert, Einladungen ausgesprochen, die Tagespolitik wird unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen diskutiert. Das ist oft lustig. Meist spannend. Und manchmal sehr schwer. „Wir werden auch in rechtlichen Belangen und im Hinblick auf staatliche Förderungsmöglichkeiten als Ansprechpartner gesehen“, erklärt Michael Schreiber. „Da sich die derzeitige Asylpolitik allerdings stetig verändert, und dazu noch komplex ist, ist das keine leichte Aufgabe.“ Dennoch versuchen er und sein Flüchtlingsteam alle Fragen möglichst verständlich zu beantworten. Auch morgen noch. Und, so vermutet der VHS-Flüchtlingskoordinator, vermutlich auch in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren. „Wir sind eingebunden in politische Prozesse. Wir sind nicht alleine in der Annahme der Herausforderung“, betont er. Bleibt zu hoffen, dass auch die Bundes-Politik sich im ganz großen Stil anschließt. Denn Strukturen fallen nicht vom Himmel. Sie werden geschaffen. Von Menschen für Menschen. Tag für Tag. Im Kleinen, wie im Großen. Weiterhin eine würdige Aufgabe für das als AG getarnte A-Team der VHS.
Weitere Informationen gibt es auf www.krefeld.de/vhs und direkt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der VHS Krefeld / Neukirchen Vluyn unter 02151 36602664.