Mit einem beherzten Zug öffnet Volko Herdick die kiloschwere Türe eines Seiteneingangs der Königsburg, tritt ein, läuft ein paar Schritte und drückt den Lichtschalter. Nacheinander erhitzen die Wolframdrähte in den Glühbirnen und offenbaren die Königin der Nacht in all ihrer Pracht. Herdick bleibt stehen, er trägt ein Lächeln auf den Lippen. Sein Blick schweift über die kunstvollen Verstrebungen, die die Königsburg zu einem Meisterwerk der Innenarchitektur machen. Die kleinen Kacheln funkeln im Pool und werden von glasklarem Wasser umspült. Noch immer liegt der Geruch ekstatischer Partynächte in der Luft. Nichts erinnert in diesem Moment an K.-o.-Tropfen-Skandale oder Szenarien ausufernder Gewalt. Die letzten Jahre haben der altehrwürdigen Veranstaltungsstätte gewiss einen Imageschaden zugefügt, doch Herdick ist als neuer Pächter gewillt, die jüngsten Geschehnisse unter alter Führung zu einer minimalen Fußnote der Zeitgeschichte zu degradieren. Wer würde es ihm nicht zutrauen, vergolden seine Finger doch fast jeden Veranstaltungsort, den sie berühren.

Gestatten: Goldfinger! - Volko Herdick

Der neue König der Burg: Volko Herdick (50)

Zwei Metall-Koffer hat Herdick dabei, die in Gangster-Filmen gerne für Geldübergaben oder heiße Ware genutzt werden. Doch im Inneren befinden sich weder Koks noch Blüten, sondern eine Sammlung von Flyern, Konzepten und Zeitungsausschnitten. Ein buntes Potpourri seines Werdegangs als Veranstalter mit vielen aus heutiger Sicht kurios anmutenden Werbemitteln. Abseits der Feierszene ist Herdick den meisten Krefeldern als Pächter und Betreiber der Rennbahn bekannt, deren Geschicke er seit 2009 äußerst erfolgreich lenkt, doch seine Biographie ist gekennzeichnet von deutschlandweitem Erfolg. Der Ursprung dieser Geschichte ist im hessischen Frankfurt am Main zu finden, wo der in Düsseldorf geborene Spross einer Modeunternehmerin aufwuchs. „Ich habe mich schon immer für Musik interessiert“, beginnt Herdick zu erzählen und lacht, weil er sich an die Jukebox in der schulischen Aula erinnert, in die er fast sein gesamtes Taschengeld warf. Rasch entwickelte sich dieses Interesse in ein mit viel Hingabe verfolgtes Hobby, das im Ausrichten von Partys mündete. „Die erste große Party habe ich mit 17 Jahren für die Tochter eines Chefarztes in deren Elternhaus ausgerichtet. Die ging so durch die Decke, dass anschließend das Haus renoviert werden musste“, erzählt er mit dem Spitzbubencharme jener Tage. Es war ein Schlüsselmoment, der ihm zeigte, was er wollte und was er konnte: die Massen bewegen.

Die Massen zu bewegen, ist auch heute noch der größte Antrieb des inzwischen 50-jährigen Party-Veteranen. „Das kann man nicht lernen“, sagt er viel- und gleichzeitig nichtssagend. „Ich hatte schon immer ein Gefühl für Locations, wusste, ob sich hier Leute wohlfühlen können und wie lange sie verbleiben würden, welche Musik und welches Konzept passt“, konkretisiert er dann. Aufgewachsen im Mekka der damaligen Clublandschaft, hatte er wahrlich genug Anschauungsunterricht. Umso größer war seine Enttäuschung, als er als 19-Jähriger nach Krefeld zog und sich mit der Clubszene der Seiden- und der daneben liegenden Landeshauptstadt vertraut machte. „Hier war nichts“, erzählt er, spreizt die Arme und legt seine Stirn in Falten, „und das, was mir als toll angepriesen wurde, hat mich auch nicht begeistert.“ Dieses von ihm vorgefundene Ödland war wie ein unbestelltes Feld, in das er die Samen seinen Visionen einpflanzen konnte; und es wuchs. Ob Schaumpartys im Düsseldorfer Wellenbad oder Mottopartys im Krefelder Hauptbahnhof. Seine goldenen Hände verschafften ihm eine Ernte, die auch monetär so üppig war, dass das Ausrichten von Veranstaltungen bald in Konkurrenz stand zu seinem eigentlichen Beruf als Medizintechniker. „Vieles ist in dieser Zeit ineinander geflossen, es hatten sich zahlreiche Möglichkeiten aufgetan. Ich musste nur die richtigen Entscheidungen treffen“, erklärt er in seiner typisch unaufgeregten Art.

„Die erste große Party habe ich mit 17 Jahren für die Tochter eines Chefarztes in deren Elternhaus ausgerichtet. Die ging so durch die Decke, dass anschließend das Haus renoviert werden musste.“

Die Rushhour von Herdicks Leben beginnt in den Neunzigern. Bereits in der Club- und Eventszene etabliert, eilt ihm in dieser Zeit sein guter Ruf voraus. „Plötzlich bekam ich das Angebot, den millionenschweren Nachbau des Tarm Centers in Erfurt zu betreiben. Diese Chance habe ich ergriffen“, erzählt er rückblickend und gibt erst auf Nachfrage preis, dass sein Unterfangen von Erfolg gekrönt war. Noch so ein Kennzeichen seiner Persönlichkeit: Understatement. Auch über Geld spricht der Mann mit den goldenen Fingern nur ungerne. Lieber schwelgt er in Erinnerungen, darüber, wie es war, einfach mal eben so erfolgreich für ein Jahr ein Restaurant in Spanien zu führen. Oder darüber, eine weitere Discothek in den neuen Bundesländern geführt zu haben. Von der langjährigen Etappe als Berater von Eventlocations einmal ganz zu schweigen. Nachdenklich wird Herdick nur dann, wenn er über die Zeit als Projektentwickler in der Wolfsburger Autostadt spricht: „Beruflich betrachtet war das eine tolle Zeit, in der wir viel auf die Beine stellen konnten, weil uns natürlich auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Aber menschlich war das dort ein schwieriges Pflaster. Bis dahin bin ich mit allen Menschen super ausgekommen, auch in den neuen Bundesländern, aber mit der Mentalität dort konnte ich einfach nichts anfangen.“

Während Herdick sich um die Jahrtausendwende im Zeichen des VW-Konzerns verdingte, überschlugen sich in der Krefelder Party-Szene die Ereignisse. Nach langer Krankheit starb 1999 Giovanni D’Ettore und hinterließ eine klaffende Lücke, die auch von seiner Frau Brigitte trotz aller Bemühungen nicht geschlossenen werden konnte. „Giovanni und mich verband eine freundschaftliche Verbindung, obwohl wir geschäftlich nie etwas gemeinsam gemacht haben, mal von den Taschenlampenpartys abgesehen, für die ich die Taschenlampen besorgte. Sein Tod hat mich sehr mitgenommen“, erzählt Herdick über diese Zeit. Eine Erfolgsgeschichte, die 1987 begann, fand 2001 ein vorläufiges Ende. Die „Burg“ fiel in einen Dornröschenschlaf, bis Herdick, in Wolfsburg sitzend, 2004 von einem Freund von der Versteigerung erfuhr. „Zunächst war ich gar nicht interessiert, aber es formte sich eine Gruppe von drei Menschen, die der Sache eine Kontur gaben. Irgendwann war klar: Wir kaufen das Ding, wenn wir denn den Zuschlag bekommen“, erinnert er sich.

Wenige Wochen später und um 500.000 Euro ärmer erhielten sie den Zuschlag. Die Königsburg fanden sie anschließend in einem erbarmungswürdigen Zustand vor. „Es regnete durch die Decke, die Sanitäreinrichtungen waren völlig zerstört und die Kacheln im Pool waren abgeschlagen“, beschreibt Herdick die damalige Situation. Insgesamt 1,2 Millionen Euro steckten die Neubesitzer anschließend in die Sanierung, ehe 2005 die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Feieroase wieder ihre Pforten für Nachtschwärmer öffnete. „Das war schon ein besonderes Gefühl“, sagt der sonst so reserviert wirkende Macher mit leuchtenden Augen. Vier Jahre blieb Herdick im operativen Geschäft, ehe er die Möglichkeit nutzte, die seinerzeit vakante Rennbahn als Pächter zu übernehmen, wo er eine gehobene Party-Reihe etablierte, das gastronomische Konzept verfeinerte und zahlreiche Veranstaltungen wie das Open Air-Kino und den Oldtimer Day initiierte. Bei der Königsburg blieb er stiller Anteilseigner, das Tagesgeschäft erledigten andere; mal schlecht, mal recht. Der Feiertempel in der Innenstadt trudelte in eine Abwärtsspirale, Geschäftsführer wurden ausgetauscht, neue Konzepte blind aus dem Boden gestampft. Erfolglos. 2013 verabschiedete sich auch der letzte Verbliebene aus der Käufergruppe rund um Herdick aus der tagesaktuellen Verantwortung, und ein türkischer Investor übernahm. Was dann geschah, ist den meisten aus der Tagespresse bekannt: K.-o.-Tropfen, Schlägereien. Die Königsburg schien am Ende.

„Zunächst war ich gar nicht interessiert, aber es formte sich eine Gruppe von drei Menschen, die der Sache eine Kontur gaben. Irgendwann war klar: Wir kaufen das Ding, wenn wir denn den Zuschlag bekommen.“

Gestatten: Goldfinger! - Volko Herdick

Auch auf die Katakomben wartet ein neues musikalisches Konzept

Vielleicht ist genau dieses desaströse Urteil, das andere der Burg ausstellen, der Grund für Herdick, jetzt das Schicksal des stadtbildprägenden Gebäudes wieder in die eigene Hand zu nehmen. Die ultimative Herausforderung für jemanden, in dessen Wortschatz „scheitern“ keinen Platz hat. „Es gibt so viele Meinungen, warum diese oder jene Location nicht funktioniert“, erklärt er, „und es werden die abstrusesten Gründe formuliert: Mal heißt es, es läge am Rauchverbot, mal daran, dass die Zeit von Großraumdiscotheken vorbei sei. Alles das ist Quatsch. Es liegt immer an den Betreibern und den Konzepten.“ Und sein Konzept weiß er schon jetzt klar zu benennen: „Wir werden die Königsburg weg vom reinen Discobetrieb zu einer Eventlocation formen. Mit Mottoveranstaltungen am Samstag und einem experimentellen Freitagsprogramm. Wir werden die Katakomben separat fahren und auch musikalisch anders nutzen. Für mich ist die neue Königsburg ein Veranstaltungs-Additiv zur Rennbahn. Möglich sind Veranstaltungen aller Art, vom Geburtstag bis zur Firmenfeier. Aber auch Events wie das Schoolbattle, das langsam das Fassungsvermögen der Rennbahn überschreitet, werden hier stattfinden.

Mit dem großen „Re-Re-Opening“ am 1. Oktober 2016 gibt Herdick den Krefeldern nicht nur wieder die bedeutendste Partylocation zurück, sondern schafft einen nicht zu verachtenden Wirtschaftsmotor. „Die Königsburg ist ein Frachter, in dessen Kielwasser Gastronomen und Einzelhändler mitschwimmen. Wer feiert, geht vorher was trinken und kauft Klamotten. Das war schon immer so, und das wird auch immer so bleiben. Auch das ist für mich ein wichtiger Aspekt“, sagt der Mann, der die Seidenstadt als berufliche Endstation bezeichnet. Es ist Herdick also nicht nur persönlich, sondern auch mit Blick auf die Entwicklung einer ganzen Stadt zu wünschen, dass sein untrüglicher Goldfinger wieder zuschlägt. Es wäre die Krönung einer fast beispiellosen Biographie.