Standesbeamter Achim Kesseler erzählt

Jedes Jahr trauen 25 Standesbeamte in allen Krefelder Stadtteilen rund 1.000 Paare. Seit der Ehe für alle werden es noch mehr. Neben Freudentränen, Herzklopfen und Küssen erleben die Standesbeamten auch kuriose Momente. Achim Kesseler (51) ist Leiter des Standesamtes Mitte und berichtet von einer Braut mit drei Kleidungsstücken, einer Trauung, die zu Ende war, bevor sie begonnen hat und einer Angel, die eine wichtige Funktion in „seinem“ Standesamt übernimmt.

Achim Kesseler

Beim Anblick von Brautpaaren geht ihm das Herz auf: Achim Kesseler, der empathische Leiter des Standesamts Krefeld Mitte, ist seit 1999 glücklich mit Ehefrau Eva verheiratet

In der stilvollen großen Empfangshalle des Standesamtes Mitte im Stadtpalais am Dionysiusplatz warten zwei Freundinnen mit der französischen Bulldogge Gizmo. Wenige Minuten später erscheint das Brautpaar zusammen mit der Tochter der Braut und dem besten Freund des Bräutigams. Nervosität, innere Anspannung und Vorfreude liegen im Raum. Eine gute halbe Stunde später kommen Karen Vogel und Daniel Erens als Ehepaar Erens aus dem kleinen Trauzimmer. Die Standesbeamtin schmunzelt: Alles sei glatt verlaufen, nur Hund Gizmo habe unüberhörbar eine übelriechende Duftmarke hinterlassen. Das Trauzimmer müsse für die nächste Eheschließung erst einmal durchgelüftet werden.

Das ist nur eine von unzähligen Anekdoten. Achim Kesseler ist seit 2008 Leiter des Krefelder Standesamtes und hat selbst über 3.000 Paare getraut. Noch heute muss er über die eine oder andere Zeremonie schmunzeln: „Die kleinste Gesellschaft bestand nur aus dem Brautpaar, im Jagdschlösschen Linn dagegen hatten wir einmal hundert Japaner, die fotografiert haben, dass man blind wurde.“ Weniger lustig lief vor zwei Jahren die geplante Eheschließung eines türkischen Paares ab, an die sich Achim Kesseler noch sehr gut erinnert: „Als es um die Platzbelegung im großen Trausaal ging, wurde plötzlich laut gestritten. Dann flogen Gegenstände und Stühle umher. Das Brautpaar schien von allem völlig überrascht zu sein. Ich versuchte, die streitenden Personen aus dem Trausaal zu bringen. Danach fielen die Gäste übereinander her, eine Vitrinenscheibe zerbrach, und ich rief die Polizei, weil zwischenzeitlich an zwei verschiedenen Stellen mindestens 30 Personen miteinander kämpften. Mütter mit ihren kleinen Kindern flüchteten in die angrenzenden Büros. Als schließlich über 50 Polizisten mit Schlagstöcken, Reizgas und Handschellen anrückten, dauerte es noch eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich Ruhe einkehrte. Es waren wohl zwei verfeindete Familien aufeinandergetroffen. Das Angebot an die Brautleute, die Trauung mit zwei Trauzeugen am selben Tag unter Polizeischutz nachzuholen, wurde leider nicht wahrgenommen.

“Fast 30 Prozent ,unserer‘ Paare haben sich beim Online-Chatten kennengelernt. Und ich rede nicht nur von den jungen.”

“ Die Verschiedenheit der Paare und ihrer Charaktere macht die Arbeit eines Standesbeamten so interessant. Das jüngste Paar, das Achim Kesseler getraut hat, war gerade 18, das älteste Ende 80. Es gibt Brautpaare, die sich erst einige Wochen kennen und solche, die erst nach Jahrzehnten den Schritt heraus der wilden Ehe machen. Und Achim Kesseler kennt die beiden wichtigsten Liebesbörsen: „Es sind der Karneval und das Internet. Fast 30 Prozent ,unserer‘ Paare haben sich beim Online-Chatten kennengelernt. Und ich rede nicht nur von den jungen.“ Auch am Arbeitsplatz funkt es oftmals. Das bestätigt die Liebesgeschichte des Brautpaares Karin und Daniel Erens: Sie ist stellvertretende Filialleiterin bei aldi am Gahlingspfad. Er war damals Azubi, ist aber zwischenzeitlich in die Immobilienbranche gewechselt.

Karen Erens (geborene Vogel) und Daniel Erens

Karen Erens (geborene Vogel) und Daniel Erens haben sich während unseres Reportage-Besuchs getraut Wir wünschen alles Gute!

Auch Prominente hat Achim Kesseler getraut, darunter Oberbürgermeister Frank Meyer und auch dessen Vorgänger Gregor Kathstede. Die Eheschließung von Andrea Berg und Olaf Henning hat er 2002 „nur bei den Anmeldeformalitäten begleitet“. Ihr dauerhaftes Glück hat Andrea Berg dann ja fünf Jahre später mit Ehemann Uli Ferber in Baden-Württemberg gefunden: in einem Traum von Weiß.Die Kleidung – ein weiteres Thema, das die Krefelder Standesbeamten in allen Facetten erleben. Begeistert war Achim Kesseler von einer Gesellschaft, bei der alle Männer Fliegen in Blau, Rot und Grün trugen. „Da habe ich mir aus meiner Schreibtischschublade kurzerhand eine Fliege gefischt und sie bei der Zeremonie getragen. Übrigens sind Fliegen wieder im Kommen“, weiß der Trau-Experte, der normalerweise Krawatte trägt. Ein anderes Paar kam in den Outfits seiner Lieblings-Fantasyhelden, eine Gesellschaft trug Latzhosen, bei einer anderen hatten alle Frauen Sonnenblumen im Haar. Noch heute allerdings stockt der Atem des Standesbeamten, wenn er von dieser Braut erzählt: „Sie trug ein enges, durchsichtiges, sehr knappes Kettenhemd und High Heels. Und ich schwöre, sie hatte nur drei Teile an: das Kettenhemd und die beiden Schuhe.“

Dass es danach bei der Ansprache zu einem Blackout kommen kann, wird jeder nachvollziehen. Aber Achim Kesseler ist Profi und bleibt gelassen: „Das ist menschlich und nicht weiter schlimm.“ Einmal allerdings sei eine Kollegin mächtig ins Schwimmen gekommen. Er erzählt: „Eine Zeit lang hatten wir den kleinen Trausaal zum Büro umfunktioniert. Als eine Kollegin dort eine Eheschließung durchführte, kam eine andere herein, um etwas Internes zu klären. Auf den Hinweis, dass hier gerade eine Trauung liefe, entgegnete die Kollegin nur: ,Du willst mich wohl auf den Arm nehmen.‘ Zum Glück verstand das Paar kein Deutsch, der Bräutigam war ein ausländischer Spieler der Krefeld Pinguine. Nur der Dolmetscher bemerkte das Missverständnis. Noch heute muss sich die Kollegin die Geschichte vorhalten lassen.“

Originelle Ringe eines Paares mit Motorrad-Passion

Originelle Ringe eines Paares mit Motorrad-Passion

Zum Schluss klärt uns Achim Kesseler noch über die wundersame Wirkung einer meterlangen ausziehbaren Angel auf: „Wenn Brautpaare Heliumballons dabeihaben, was eigentlich nicht gestattet ist, entweichen immer mal welche an die fünf Meter hohe Decke im Foyer. Über Nacht verlieren die Ballons ihre Luft und fallen auf den Boden. Das löst Alarm aus: Polizei, Feuerwehr und wir rücken an. Um solche Fehlalarme auszuschließen, nehmen wir nach Feierabend die Angel, befestigen an ihrem Ende einen spitzen Pin und stechen die Ballons kaputt.“ Kesseler lächelt spitzbübisch und freut sich schon jetzt auf die nächsten Eheschließungen, bei denen man nie weiß, welche Überraschungen sie bringen werden.