Bernd Heuer,
Unternehmer und Immobilienexperte
Baukultur ist nicht allein Architektur. Aktuelle Gebäude mit außergewöhnlicher Architektur wie zum Beispiel die Elb-Philharmonie in Hamburg oder der Flughafen Schönefeld in Berlin werden derzeit weniger mit Baukultur in Verbindung gebracht, als sie es sollten. Vielleicht ändert sich diese Sichtweise in Jahrzehnten, wenn die Stadtgesellschaft vergessen hat, dass Kosten- und Zeitüberschreitungen zu einer immensen Verteuerung geführt haben, die, wie bei öffentlichen Gebäuden üblich, vom Steuerzahler finanziert werden. Untersuchungen zeigen, dass 9 von 10 der von öffentlicher Hand realisierten Gebäude teuerer werden als geplant. Ohne die Einbeziehung des Bürgers sollten Grundstückseigentümer, Architekten, Ingenieure, Bauunternehmen, Bauhandwerker, Immobilienverwalter ihr Projekt nicht starten. Nur in Zusammenarbeit entsteht die Prozessqualität, die die Grundlage für Baukultur bildet. Ausgangspunkt der Akteure für Stadtentwicklung sollte der Artikel 14 Grundgesetzes sein: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch sollte zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Circa 60 bis 70 Prozent der bebauten und unbebauten Flächen in einer Kommune besitzen private Eigentümer, die in Krefeld mit Politik und Verwaltung über einen Stadt-Immobilienwert von zur Zeit geschätzten 20,5 Mrd. Euro verfügen. Die Herausforderungen von Klimawandel, demographischer Entwicklung und Digitalisierung zu erkennen und zu lösen, werden die Stadt- und Immobilienentwicklung wesentlich bestimmen.
Nach Meinung von Experten sind Masterpläne erforderlich, wie beispielsweise in Köln und Mönchengladbach. Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit ihren finanziellen und personellen Engpässen haben aktuell und wohl auch zukünftig eine Forderung von Experten aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft zu erfüllen: „Baukultur kann nur entstehen, wenn die an dem Prozess der Stadtentwicklung Beteiligten über ein überdurchschnittliches Wissen verfügen und in interdisziplinären Teams überzeugend ihre Kompetenzen einbringen können.“
Baukultur wird erst möglich, wenn über transparente Prozesse der Nutzer der Stadt mit einbezogen wird. 60 bis 70 Prozent der Stadtbewohner suchen die Identifikation mit ihrem Umfeld. Die aktuell zum Teil festgestellte Fixierung auf monetäre Werte reicht bei Weitem nicht aus, die Lebensqualität in der Stadt zu steigern.
Markus Schreurs,
Immobilien-Makler
Baukultur und Architektur sind für mich zwei vollkommen getrennt zu betrachtende Begriffe, da Architekten für Baukultur am wenigsten zuständig sind. Baukultur ist ganz entscheidend für Krefeld, da sie die unverwechselbare Visitenkarte unserer Stadt ist. Sie ist eine wichtige Grundlage für die Identifikation mit Gebäuden, Plätzen, Quartieren und Stadtteilen, und trägt wesentlich zur Gestaltung der Zukunftsperspektiven unserer Stadt bei. Somit ist Baukultur weit mehr als gelungene Architektur.
Es ist wichtig, sich in der eigenen Stadt wohl zu fühlen und sie zu schätzen. Leider habe ich das Gefühl, dass dieses positive Stadtempfinden in den letzten Jahren gelitten hat. Dass die hiesige Baukultur schön und besonders ist, bekomme ich hingegen von meinen neu hinzugezogenen Kunden oft gespiegelt, denn Krefeld ist die bezahlbare Zukunft für junge Familien aus anderen Großstädten. Eine Publikation wie diese ist für die wichtige Aufgabe geeignet, eine positive Identifikation mit Krefeld zu verstärken und die Öffentlichkeit auf die Besonderheiten und Schönheiten unserer Stadt aufmerksam zu machen. Und wenn wir Krefelder dann auch noch das Gefühl haben, dass wir es selbst waren, die an diesem Ergebnis mitgewirkt haben, führt dies zu nachhaltiger Identifikation.
Michael Heß,
Geschäftsführer bei Haus & Grund Krefeld Niederrhein e.V.
Der Begriff Baukultur klingt für viele private Immobilieneigentümer zunächst einmal nach schönen Hochglanzmagazinen und Architekturträumen ohne jeden Praxisbezug. Insofern ist eine gewisse Entfremdung zwischen manchen Architekten und/oder Stadtplanern und vielen privaten Bauherren zu konstatieren, die jedoch gegebenenfalls auf einem Missverständnis oder einem mangelnden wechselseitig Wissen übereinander beruht.
So ist gerade die Krefelder Innenstadt und der dahinter liegende und noch immer erkennbare Vagedesplan ein Beispiel dafür, dass Vorstellungen aus der Baukultur im höchsten Maße praxisrelevant sein können.
So ist es nicht zuletzt der dankenswerten Öffentlichkeitsarbeit der Krefelder Architektin, Claudia Schmidt, zu verdanken, dass der Vagedesplan und damit ein bedeutsames Stück Baukultur in das derzeitige Bewusstsein von Stadtplanern, aber auch privaten oder öffentlichen Bauherrn Eingang gefunden hat. So lässt sich feststellen, dass zumindest der gut funktionierende Teil der Krefelder Innenstadt nach wie vor die ursprünglichen Grenzen und Leitlinien des ursprünglichen Vagedesplans einhält, so dass durchaus die Frage erlaubt sein muss, ob eine Rückbesinnung auf die architektonischen, stadtplanerischen und somit baukulturellen Grundlagen des Vagedesplans nicht auch eine der Leitlinien für die zukünftige Stadtentwicklung bzw. Innenstadtentwicklung sein könnte.
Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass Baukultur auch in dem Sinne verstanden werden kann, dass es nicht – nur – um die Gestaltung einzelner Gebäude oder Bauwerke geht, sondern auch weitaus größer gedachte Leitlinien unter dem Begriff der Baukultur gefasst werden können.
Ohne in das allgemeine Klagelied des angeblich fehlenden Masterplans für die Krefelder Innenstadt einstimmen zu wollen, kann man sich für eine positive Entwicklung der Krefelder Innenstadt durchaus nur mehr Baukultur im vorgenannten Sinne wünschen.
Julien Pelzers,
stellvertretender Geschäftsführer der Pelzers Bau GmbH
Als Bauunternehmer tangieren mich die Themen Architektur und Baukultur unmittelbar und stehen im Zentrum meines Schaffens. Im hochsensiblen Spannungsfeld zwischen architektonischen Wünschen des Bauherren, bautechnischer Machbarkeit und städtischen Gestaltungsrichtlinien gilt es stets, eine ideale Balance zu finden, die sich im Idealfall nahtlos in die lange Tradition der hiesigen Baukultur einfügt. Als Bauunternehmer mit Erfahrung erlaube ich mir die Einschätzung, dass dieser Drahtseilakt in der Seidenstadt oftmals er-staunlich gut gelungen ist und Krefeld auf einen beachtlichen Bestand architektonischer Prunkstücke stolz sein kann.
Das Architektur- und Baukultur-Spezial des KR-ONE-Magazins ist deshalb unterstützenswert, weil es Schlaglichter auf eben diese herausragenden Projekte wirft, die reiche baukulturelle Historie der Stadt aufarbeitet, dabei aber auch nie den Ausblick in die Zukunft vernachlässigt. Wenn es so gelingt, den Blick für das Schöne und Interessante zu schärfen und eine Identifikation der Krefelder mit ihrer Stadt voranzutreiben, ist die Veröffentlichung fraglos ein großer Gewinn mit Signalwirkung nach außen.
Andree Haack, Geschäftsführer
Existenzgründung und Unternehmensförderung
„Cola küsst Orange“; das ist nicht nur ein flotter Werbespruch aus der Getränkeindustrie, sondern passt auch gut zur Frage nach dem Verhältnis zwischen Baukultur und Stadtentwicklung. Sie fragen jetzt sicher nach dem „Warum“.
Die Begriffe Baukultur und Stadtentwicklung bedingen sich gegenseitig und sind untrennbar miteinander verbunden. Während bei der Stadtentwicklung nahezu ausschließlich über ubiquitäre „Stadtmodelle“, wie zum Beispiel dem Leitbild der autogerechten Stadt oder der strikten Nutzungstrennung nach der Charta von Athen, diskutiert wird, haben regionale Besonderheiten in der Diskussion über Architektur mehr Raum: Architektur als Ausdruck von Kunst (wie bei Haus Lange und Haus Eesters), Architektur mit regionalen Besonderheiten (z.B. die Reetdächer im Norden) oder besondere städtebauliche Herausforderungen (wie die Hofbildung in Berlin oder auch das Krefelder Haus).
Während der Stadtplaner versucht, ein be-stimmtes Stadtmodell mit den natürlichen Gegebenheiten vor Ort in Einklang zu bringen, versucht der Architekt, die Wünsche des Bauherrn mit den regionalen Baubesonderheiten abzugleichen; sei es aus ästhetischen oder aus wirtschaftlichen Gründen.
Baukultur ist nun die gelungene Kombination aus beidem: klare Vorstellungen eines Stadtplaners treffen auf den Ideenreichtum eines Architekten. Wenn diese Dinge gut zusammenpassen, ist das wie „Cola küsst Orange“, nämlich eine erfrischende Mischung. Na denn, zum Wohl!
Andreas Schwittay,
Held Wohnkomfort Schwittay GmbH
In meiner Funktion als Inhaber eines Designmöbelhauses richtet sich mein Augenmerk naturgemäß primär auf die Innenarchitektur. Doch diese geht selbstverständlich Hand in Hand mit der hiesigen Architektur und Baukultur. Nur in einem außergewöhnlichen Gebäude kann außergewöhnliche Inneneinrichtung zur Geltung kommen. Mehr noch, erst das Vorhandensein einer charakteristischen Architektur schafft den Bedarf für eine individualisierte Wohneinrichtung.
Krefeld verfügt über eine im öffentlichen Diskurs oftmals unterschätzte und auf Leuchttürme reduzierte bemerkenswerte architektonische Vielfalt, die mir im Tagesgeschäft oft begegnet, was meinen Blick für das Schöne und das Besondere im Laufe der Zeit geschärft hat. Damit Baukultur auch für jene Krefelder erlebbar wird, die berufsbedingt weniger Berührungspunkte mit der hiesigen Architektur haben, erscheint mir diese Sonderpublikation als wichtiges und geeignetes Vehikel.