Shona-Art im Krefelder Zoo:
Wimbai Ngoma schaut sich den großen Haufen an Serpentinsteinen genauestens an. Er nimmt einen in die Hand, wendet ihn und legt ihn wieder weg. Mit den Fingerspitzen fährt er die Ränder des nächsten Steins, den er ausgesucht hat, entlang. Sein Blick ruht auf ihm. Ein leichtes Lächeln umspielt seinen Mund, und zufrieden nickend nimmt er diesen anschließend mit an seinen Arbeitsplatz. Der Simbabwer hat eine Vision, was aus dem Stein werden soll.

Der Künstler hinter den Steinen: Wimbai Ngoma
„Für uns sind die Steine nicht nur Gegenstände. Wir haben eine Verbindung zu ihnen.“
Zehn Uhr morgens im Krefelder Zoo. Im Buchenwald am Vogelhaus stehen zahlreiche Steinfiguren, die zu der berühmten simbabwischen Kunst, der Shona-Art, gehören. Ein Bildhauer, der viele dieser Kunstwerke erschaffen hat, ist Wimbai Ngoma. Der Simbabwer ist regelmäßig in Deutschland, um hier Workshops zu geben und so den Menschen diese traditionelle afrikanische Kunst beizubringen. Ngomas Augen beginnen zu funkeln, wenn er über die Besonderheit der Shona-Art spricht: „Für uns sind die Steine nicht nur Gegenstände. Man hat eine Verbindung zu ihnen und drückt sich in der Kunst aus“, so der 42-Jährige. Wer die großen Haufen an Serpentinsteinen im idyllischen Buchenwald liegen sieht, kann sich kaum vorstellen, was der Simbabwer innerhalb einiger Zeit daraus entstehen lässt. Es grenzt an Magie, wie der Bildhauer in einem ungeformten Stein ein Tier sieht, und dieses durch Hammer, Meißel, Raspel und Feile nach und nach zum Leben erweckt. Mit den Tiergeräuschen im Hintergrund könnte fast der Eindruck entstehen, man befinde sich in der afrikanischen Savanne.

Stück für Stück wird die Schönheit des Elefanten entblättert.
Der 42-Jährige hat schon sehr früh in seinem Leben zur Kunst gefunden. Schon als kleiner Junge fing er an, aus den Steinen etwas zu formen. In dem letzten Jahrzehnt konnten seine Kunstwerke in vielen Ausstellungen bewundert werden und seit 2008 gibt er Workshops in Deutschland. Es ist eine Ehre, von einem so bekannten Künstler in das Geheimnis der Shona-Art eingeführt zu werden. Als Erstes darf ich mir einen Stein aussuchen. Ich nehme einen der Steine, die bereits vorgefertigt wurden und deren Schönheit noch hervorgebracht werden muss. Die Wahl fällt schnell auf einen Elefanten. Elefanten erinnern mich an Afrika, und diese Tiere sind für mich sehr stark und beeindruckend. Während ich zu einem kleineren Exemplar greife, schaut Ngoma mich genauestens an: „Warum hast du dich für diesen und nicht für den etwas Größeren entschieden?“ Ich überlege. Es war eine intuitive Entscheidung, aber der Simbabwer greift zu dem Größeren und sagt: „Dieser hier wird unterschiedliche Farben entfalten. Er passt besser zu dir.“ Und tatsächlich, als er den Stein in Wasser tränkt, lässt sich bereits erahnen, welche Schönheit unter der groben Struktur verborgen liegt.
Die Struktur eines Steines hervorzubringen, ist für den Bildhauer eine Art Lektion: „Es geht nicht darum, den Stein zu attackieren, sondern ihn mit Gefühl zu behandeln. Die Steine lehren uns etwas“, erklärt der Künstler. Mit viel Sorgfalt zeigt er mir, wie ich meinen Elefanten feilen muss, um die Struktur hervorzubringen. Es hat etwas Meditatives, den Serpentinstein in den Händen zu halten und ihn mit der Feile zu bearbeiten. Schicht für Schicht entblättert der kleine Elefant seine wahre Größe: „Es ist unglaublich, immer wieder das Geheimnis der Steine zu entdecken“, so Ngoma lächelnd, während er mit beim Feilen zuschaut und mir hin und wieder Tipps gibt. Ich fange an zu verstehen, wovon der Simbabwer spricht. Meine Finger fahren über die freigewordene Struktur des Elefanten und lassen Bilder von einer großen Elefantenherde, die durch den afrikanischen Busch läuft, in meinem Kopf entstehen. Der 42-Jährige gibt mir verschiedene Sorten von Schleifpapier. Durch die verschiedenen Körnungen wird der Elefant immer glatter und beginnt zu glänzen. Im Anschluss erhitzt Ngoma den fertigen Stein, um so die Poren zu öffnen und ihn daraufhin mit Wachs einzureiben. Der Prozess des Erhitzens ist etwas kniffelig, da der Stein nicht zu heiß werden darf, weil sonst Risse entstehen. Obwohl Ngoma jahrelange Erfahrung hat, passiert das selbst ihm ab und an mal. „Jeder Stein ist anders, und obwohl ich sorgfältig arbeite, kann es trotzdem mal passieren“, gibt er zu. Wie bei meinem kleinen Elefanten, den der Bildhauer aber mit einer kleinen Nasen-Korrektur retten kann. Als der Künstler ihn anschließend mit echtem simbabwischem Wachs einreibt, scheint es, als ob der Elefant zum Leben erwachen würde. Er glänzt, und die verschiedenen Farben des Serpentinsteins entfalten ihre volle Kraft.
Während ich nun zu Hause sitze, mir meinen wundervollen Elefanten anschaue und behutsam mit den Fingern über die Form des Steins fahre, entstehen zahlreiche Gefühle in mir. Ich kann die Geräusche der Tiere beinahe hören und sehen, wie sie mit ihrer imposanten Gestalt vor mir herlaufen. Ich sehe die atemberaubenden Farben Afrikas, die das gleißende Sonnenlicht in Szene setzt. Und vor mir steht mein Elefant, mein kleiner wahrgewordener afrikanischer Traum.
Workshop-Ort: Zoo Krefeld, Uerdinger Straße 377, 47800 Krefeld, Telefon: 02151-95 52 0 Veranstalter: Shona-Art, Auf Steinhausen 28, 58452 Witten, Telefon: 02302-97 87 428, bildhauen@shona-art.com
Die Shona-Art Workshops finden täglich von 10 bis 18 Uhr im Zoo Krefeld statt. Die Teilnahmegebühr beträgt für die ersten zwei Tage je 60 Euro. Jeder weitere Tag kostet 30 Euro. Materialkosten: drei Euro für den Serpentinstein.