Jeder kennt das: ein Pochen hinter den Schläfen, ein Ziehen in den Waden, ein Zwicken im Rücken: Schmerz. Er ist unangenehm, er ist unberechenbar, er belastet die Seele. Und er kann zum ständigen Begleiter werden. Laut der Barmer GEK leiden rund 3,25 Millionen Deutsche unter chronischen Schmerzen. Diese beeinträchtigen den Alltag der Betroffenen dauerhaft, oft über Jahre. Häuslichen Pflichten können diese Menschen nicht mehr nachkommen, die Psyche leidet und der andauernde Leidensdruck führt zu Rückzugstendenzen und Vermeidungsverhalten. Ein Kreislauf, der die Patienten immer weiter zur Verzweiflung treibt – denn Verständnis und schnelle Hilfe finden sie oftmals nicht. Da es sich bei Schmerz um ein individuell empfundenes Phänomen handelt, wird die Heftigkeit solcher Beschwerden von vielen Ärzten übersehen oder unterschätzt. Wer langanhaltende Linderung sucht, legt häufig einen weiten Weg zurück, der gepflastert ist mit Frustration.
Birgit Schulten-Dreschmann ist einen solchen Weg gegangen. Mehr als vier Jahre lang litt die 57-Jährige unter starkem Stechen und Ziehen in Rücken und Nacken, versteiftem Becken und Knieproblemen. „Ich konnte keine Treppen steigen. Irgendwann war es so schlimm, dass ich mich nicht einmal mehr um meinen Haushalt kümmern konnte “, schildert sie. Die humorvolle Frau mit wachem Gesicht und einer sympathisch-direkten Art zu erzählen, ist niemand, der schnell klein beigibt. „Als ich gemerkt habe, dass die Schmerzen mich beeinträchtigen, habe ich sofort Maßnahmen ergriffen. Reha-Sport, Bewegungsbad, Ernährungsberatung. Ich habe ausprobiert, auf eigene Faust ins Fitnessstudio zu gehen – nichts hat geholfen“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Von den behandelnden Ärzten und Therapeuten habe sie sich nicht verstanden gefühlt. Auf lange Wartezeiten folgten unzureichende Untersuchungen, statt Lösungsansätzen gab es Schmerzmittelrezepte. „Ich wurde mit einem ‚Da kann man eben nichts machen‘ weggeschickt“, erinnert sie sich. Die starken Schmerzmittel lösten heftige Nebenwirkungen aus, und dem körperlichen Unwohlsein mischte sich bald Resignation bei. „Ich war wahnsinnig frustriert. Ein Teil von mir hatte sich schon mit der Situation abgefunden“, erinnert sich die Patientin. Glücklicherweise siegte die Hoffnung. Mit einer letzten Kampfansage gegen ihre Beschwerden wandte sich Schulten-Dreschmann an die Abteilung Schmerztherapie im Kempener Hospital zum Heiligen Geist.

Chefarzt Dr. James Allen Blunk und Oberarzt Dr. Ralf Jungbluth
“In vielen Fällen wird nur der Schmerzpunkt selbst behandelt, Damit wird aber nur das Symptom bekämpft und nicht die Ursache.”
Die Schmerztherapie-Abteilung existiert seit Februar 2015. Innerhalb der vergangenen drei Jahre konnte das Team um Chefarzt Dr. James Allen Blunk und Oberarzt Dr. Ralf Jungbluth mit seinem Konzept der multimodalen Schmerztherapie bereits vielen Patienten eine neue Lebensqualität schenken. Die multimodale Schmerztherapie sieht vor, dass durch die Verzahnung verschiedener Behandlungsformen ein ganzheitliches Therapiekonzept entsteht. Deshalb arbeiten Experten aus den Bereichen Anästhesiologie, Neurologie, Ergo-, Physio- und Psychotherapie, Orthopädie und Ernährungsberatung im unmittelbaren Austausch miteinander. „Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Termin hier im Hospital. Das war am 13. September 2017. Dr. Jungbluth hat sich mehr als eine Stunde Zeit genommen, mir zugehört und mich untersucht – das hatte ich so noch nie erlebt“, erzählt Schulten-Dreschmann. Das Ergebnis der Anamnese: Viele auf den ersten Blick unscheinbare Parameter sorgten in Wechselwirkung für die anhaltenden Schmerzen der Patientin: eine falsch eingestellte Brille, schlecht angepasste Einlagen, Haltungsfehler und mangelnde Fitness. An mehreren Körperstellen hatten sich bereits tiefsitzende Verspannungsknoten entwickelt. „In vielen Fällen wird nur der Schmerzpunkt selbst behandelt“, erklärt Dr. Ralf Jungbluth. „Damit wird aber nur das Symptom bekämpft und nicht die Ursache. Die liegt meist ganz woanders, und es sind immer mehrere Faktoren beteiligt, die in Wechselwirkung zueinander stehen.“ Für Birgit Schulten-Dreschmann war dieser Befund eine Erleichterung. „Ich war völlig verblüfft, dass mir endlich jemand ein direktes Feedback geben konnte. Da wusste ich: Hier bin ich richtig.“

Birgit Schulten Dreschmann erfuhr im HZHG eine einfühlsame Behandlung
Soforthilfe ist bei einem Patienten mit chronischen Schmerzen nicht möglich – zu tief sitzen Haltungs-, Muskel- und Gelenkschäden. „Wir nehmen Patienten immer für mindestens zwei Wochen auf, damit wir genügend Zeit haben, den langfristigen Prozess der Schmerzbekämpfung und -Prophylaxe mit ihnen einzuleiten“, erläutert Dr. James Allen Blunk. Nach einem psychologischen Eingangsgespräch und ausführlichen Aufnahmeuntersuchungen durch Mitarbeiter der verschiedenen Therapiebereiche begannen für Birgit Schulten-Dreschmann drei Wochen eines individuellen Behandlungsprogramms. In Physio- und Ergotherapie-Sitzungen wurde der Bewegungsapparat der Patientin gelockert, stimuliert und beweglicher gemacht. Mithilfe persönlicher Ernährungsberatung lernte sie einen neuen Umgang mit der Nährstoffverteilung kennen, während sich die Psychotherapie ihrem individuellen Körper- und Schmerzempfinden sowie der Alltagsbewältigung widmete. Die Mitarbeiter des Pflege-Teams kümmerten sich stets um reibungslose Abläufe und standen der Patientin mit Rat und Tat zur Seite. „Es lief alles ineinander.
Ich habe mich zum ersten Mal richtig aufgehoben und verstanden gefühlt“, erzählt Schulten-Dreschmann begeistert. Durch moderne Anwendungen wie das sogenannte Biofeedback und OrthoSense konnte das Team auch die Ausgangspunkte und die Intensitätsskala ihrer Schmerzen visualisieren. „Das hilft unseren Patienten dabei, ihren Schmerz besser einschätzen zu lernen“, erklärt Dr. Jungbluth. Ebenso wichtig wie die eigentliche Behandlung ist dem Team ein herzlicher und aufmerksamer Umgang mit den Patienten. „Am Anfang bin ich auf dem Zahnfleisch gegangen und habe das ein oder andere Tränchen verdrückt. Wenn in einem solchen Moment jemand ins Zimmer kam, wurde ich immer getröstet und bestärkt“, erinnert sich Birgit Schulten-Dreschmann.
“Ich kann wieder mit meinen Enkelkindern spielen. Das ist toll für mich.”
Während der Optimismus der 57-Jähringen wieder wuchs, nahm der Schmerz ab. Aus ihrem dreiwöchigen Aufenthalt im Kempener Krankenhaus konnte sie viel mitnehmen: Eine neue Brille, neue Einlagen, mehr Beweglichkeit. „Ich kann wieder mit meinen Enkelkindern spielen. Das ist toll für mich“, freut sich die zweifache Großmutter. Jetzt heißt es: Dranbleiben. Birgit Schulten-Dreschmann muss ihrem Körper und ihrer Seele weiterhin viel Beachtung schenken, um ihre Schmerzen langfristig loszuwerden. „Das ist oft der Knackpunkt: Schmerzpatienten müssen akzeptieren, dass sich Beschwerden, die sich über viele Jahre aufgebaut und in Muskulatur und Skelett festgesetzt haben, nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden. Wer sich auf die von uns empfohlenen Umstellungen einlässt, hat dafür aber beste Chancen, langfristig schmerzfrei zu werden“, erläutert Dr. Jungbluth. Bei ihren weiteren Schritten wird Birgit Schulten-Dreschmann in regelmäßigen Anschlussgesprächen mit dem Schmerztherapieteam begleitet. Dass sie ihren Lebenswandel durchziehen möchte, ist für die Krefelderin keine Frage. Ihre Fortschritte dienen ihr dabei als Ansporn: „Ich habe den richtigen Weg eingeschlagen. Und den gehe ich jetzt weiter.“
Hospital zum Heiligen Geist,
Von-Broichhausen-Allee 1,
47906 Kempen,
Tel.: 02152 142150
Mail: abt.schmerztherapie@krankenhaus-kempen.de