Über die Schwierigkeiten des späten Glücks

 

Sie ist zum ersten Mal in seiner Wohnung. Sie: „Wow! Was für eine beeindruckende SkulpturEin UfO?“ Er: „Nein. Designercouch. Edles Teil. Ein Klassiker. Mein Lieblingsstück.“ Sie: „Da haben Sie aber echt etwas Eigenes.“ Er ist im Balz-Modus und deshalb überhört er den abwertenden Unterton in der Stimme seiner neuesten Parship-Errungenschaft. Und während er sie zu einem ersten Intimisierungswein auf sein Prestigemöbel bittet, entwickelt sie genau dazu schon einen unheilvollen Gedankengang. Wenn sich hier ein Dauer-Night-Stand mit Zusammenzugspotential ergeben soll, dann muss dieser schwarzlederne Herrensitz über kurz oder lang verschwinden. Ihr stoffbezogenes Kuschelsofa in fröhlichem Apricot ist nun mal ihre persönliche Wohlfühlinsel und die würde sie für keinen Elite-Partner der Welt aufgeben.

Am Anfang einer Beziehung wird solch ein mulmiges Gefühl zumeist von emotionalenSuperlativen überlagert. Irgendwann aber kann der Moment kommen, in dem die Frage nach dem „Wir gemeinsam und wohin?“ nicht nur die beiden Sofas, sondern auch andere gegensätzliche Vorlieben ins Rampenlicht rückt. Dann kann sein spektakulärer I M Lab“-Schreibtisch genauso zum Problem werden wie ihre altrosafarbenen Loviso“-Vorhänge in matt glänzender Samt Optik. Späte Liebe führt nicht nur zwei Herzen zueinander, sondern in der Regel auch den ein oder anderen Sattelschlepper mit biografisch hochaktivem Stückgut. Und weil niemand über einen Wohnraum von der beschaulichen Größe einer Stadthalleverfügt, schwebt über der Beziehung plötzlich ein Damoklesschwert, und das heißt „Entsorgung von lieb gewonnenen Lebensbegleitgegenständen.“ Dann muss rechtzeitig und behutsam verhandelt werden, denn gerade bei Geschiedenen metzelt ein rosenkriegserprobteIch-Gefühl das filigrane Wir-Gefühl gerne auch einmal gnadenlos nieder. Bei manchen Dingen erscheint mir ein Austausch eher unproblematisch. So können sich Frauen bei den Küchengeräten mit Ausnahme der Kaffeemaschine, bei der Bettwäsche und den Badartikelngetrost auf die Meinungslosigkeit vieler Männer verlassen. Im Gegenzug wird weibliche Großzügigkeit in puncto Garage und Keller gern gesehen. Vor allem aber bei der Frage nach der Ausstattung von Wohn- und Arbeitszimmer könnte man sich an einem Wort von Friedrich Ferstl orientieren: „Wer im Licht der Liebe leben will, muss über den eigenen Schattenspringen können.“ De facto also Kuschelsofa für „I M Lab“-Schreibtisch und Samtvorhänge für handsigniertes Sebastian-Vettel-Poster. Gegen das drangsalierte Ich-Gefühl kann, wo eben möglich, ein individuell gestalteter Rückzugsraum helfen. Im Weiteren bekommt die amouröse Standardfrage: „Sollen wir zu Dir oder zu mir?“ bei der Entscheidung für einem gemeinsamen Lebensmittelpunkt eine völlig andere Wertigkeit. Wer sich nämlich in das ehemalige Hoheitsgebiet der oder des Verflossenen seines Partners begibt, sieht sich mitunter einem Minenfeld von Duftmarken seines Vorgängers ausgesetzt. Das Unbehagen kann schon bei einem zurückgelassenen Satz Winterreifen anfangen und gipfelt in der Konfrontation mit dem Ex-Ehebett. Dazu kommt das Gefühl der Abhängigkeit, das in der Furcht vor dem: „Wenn diese Beziehung kaputt geht, bleibt mir gar nichts mehr“ mündet. Deshalb ist der Umzug in eine neue Umgebung mitunter die einzige Chance, dem vergleichenden Wettbewerb mit der oder dem Ex aus dem Weg zu gehen.