Latein, Mathematik, Geschichte und Erdbeschreibung – das waren die ersten Fächer der neugegründeten „Höheren Stadtschule“, die am 1. Oktober 1819 an der Ecke Königstraße/Angerhausenstraße ihre Arbeit aufnahm. 36 Jungen bildeten die ersten beiden Klassen. Einziger Lehrer und Rektor in Personalunion war der 25-jährige Friedrich Hermann Noll. Heute werden am ältesten Krefelder Gymnasium, dem Moltke, 650 Schülerinnen und Schüler von 50 Lehrern unterrichtet. Der Fächerkanon hat sich naturgemäß ausgeweitet, aber das Leitbild von damals hat sich seinen Kern bis heute bewahrt: Jeder Schüler ist eine individuelle Persönlichkeit und soll in der Gemeinschaft fachliche Kompetenz und soziales Miteinander erfahren.

Gymnasium am Moltkeplatz

Historische Aufnahmen aus der Festschrift …

Grundstein für das heutige Moltke-Gymnasium war eine Spende des kinderlosen Mennoniten Adam Wilhelm Scheuten, der in seinem Testament verfügt hatte, dass aus seinem Vermögen „Fünfzehn Tausend Reichsthaler zur Errichtung einer Schule in Crefeld“ verwendet werden sollten. Aber damit nicht genug. Er legte auch genau fest, welchen Hintergrund die „Scheuten‘sche Stiftungsschule“ von ihren künftigen Schülern erwartet. Es sollten Kinder sein, „die von ihrer guten Aufführung, Fähigkeit und Eigenschaft Zeugniß beigebracht haben“. Will heißen: Sie sollten wohlerzogen und leistungswillig sein und einen guten Charakter haben. Das entsprechende „Kleingeld“ der Eltern wurde vorausgesetzt, denn Bildung war im 19. Jahrhundert Privileg der Wohlhabenden. Erst 1948 wurde das Recht auf Bildung von den Vereinten Nationen in den Menschenrechten verankert. „Genau seit jenem Jahr gibt es am Moltke auch das Sozialwerk für bedürftige Schüler“, weiß Schulleiter Dr. Udo Rademacher und ergänzt: „Bis heute haben wir einen Sozialfonds für Klassenfahrten, den unser Förderverein verwaltet. Er feiert übrigens in diesem Jahr 100. Geburtstag.“ Der Förderverein kümmert sich darüber hinaus um die Beschaffung besonderer Lehrmittel, die Verschönerung der Gebäude und die Förderung einzelner Projekte.

Beim Streifzug durch die Geschichte des Moltke fallen immer wieder Besonderheiten auf, die heute kurios erscheinen. Die Rektoren mussten anfangs evangelisch sein. Der Schulleiter schmunzelt: „Ich bin der erste Direktor, der katholisch ist.“ Er erzählt weiter, dass die ersten beiden „Abiturienten“ aus dem Jahr 1832 ein Studium der Theologie aufnahmen. Interessant auch, dass der Religionsunterricht damals nicht konfessionell gebunden war. 1824 nannte sich das Fach „Allgemeine Denkübungen“ und später „Sittenlehre“. Heute ist es ähnlich: wer sich nicht für Religion entscheidet, wird in „Praktischer Philosophie“ unterrichtet.

Gymnasium am MOltkeplatz

Schulleiter Dr. Udo Rademacher im denkmalgeschützten Hauptgebäude aus dem Jahr 1915

Eine schnelle Entwicklung nahm der Fremdsprachenunterricht. Nachdem im Gründungsjahr Latein alleinige Fremdsprache war, kam bereits fünf Jahre später Französisch hinzu, eine Folge der französischen Besetzung Krefelds. Französisch war damals Amts- und Unterrichtssprache. Nur zwei Jahre später standen bei den „Außerordentlichen Lehrstunden“ bereits Englisch, Italienisch und Griechisch zur Wahl. Auffallend für diese Zeit ist auch, dass das Fach „Leibesübungen“ nicht auf dem Stundenplan stand. Erst 1829, zehn Jahre nach Gründung der Schule, ist Turnen im Lehrplan zu finden. Unterrichtet wurde das Fach lange von sogenannten „Hilfslehrern“, bis 1874 der erste hauptamtliche Turnlehrer eingestellt wurde.

Die Geschichte „seiner“ Schule im Spannungsfeld von zwei Weltkriegen macht für Udo Rademacher eine Besonderheit des Moltke aus: „Vor allem der 2. Weltkrieg stellte Kollegium und Schüler vor vielfältige Herausforde- rungen, zum einen durch die nationalsozialistische Unterwanderung des Unterrichts, zum anderen durch die Folgen der Kriegszerstörung.“ Von 1939 bis 1945 hieß die damalige „Oberschule für Jungen“ kurzzeitig „Schäfer-Voß-Schule“. Emil Schäfer und Werner Voß waren Kampfflieger im Ersten Weltkrieg und ehemalige Schüler. Nach dem Kriegsende bekam das Moltke seinen heutigen Namen und konnte gesund wachsen. „Im vergangenen Jahr haben wir als erstes Krefelder Gymnasium ,Office 365‘ eingeführt. Jeder Schüler hat einen eigenen Zugang, den wir finanzieren. Das Programm wird in vielen Fächern eingesetzt und vernetzt Schüler und Lehrer“, freut sich der Schulleiter.

Gymnasium am Moltkeplatz

Die Projektgruppe „Vom Klassenzimmer an die Front“ (v.l.): Tim Ott, Benjamin Korn, Oscar Gürtler, Carlotta Fetsch, Hanna Meiners

Neben der Wissensvermittlung ist auch das soziale Engagement ein großes Anliegen des Moltke. Das Projekt „Moltke-Schüler für Afrika“, das vor 30 Jahren gestartet ist und 2005 eingetragener Verein wurde, hat bis heute über 100.000 Euro für Hilfsprojekte in Äthiopien eingebracht. Zurzeit ent- steht dort die „Moltke School for Africa“. Getreu dem Leitbild der Schule, „Gemeinsam. Mehr erreichen“, wird auch in den Klassen aktiv an einem sozialen Miteinander gearbeitet. In regelmäßigen Klassenteamstunden werden Probleme besprochen und Lösungen gefunden. Und auch die Elternfrühstücke werden sehr gut besucht. „Alles, was wir tun, stellen wir unter diesen Gemeinschaftsgedanken. Unsere Schüler sollen nicht nur gut Mathe können, sondern auch durch unsere Begleitung zu Persönlichkeiten mit Charakter werden“, betont Schulleiter Dr. Rademacher.

www.moltke.de

„200 Jahre Moltke“ – 20 Projekte

„200 Jahre Moltke“ haben Schüler und Lehrer zum Anlass genommen, sich in 20 Projekten mit Vergangenheit und Gegenwart ihrer Schule zu beschäftigen. „Geschichte ist ja immer nur dann sinnvoll, wenn man nicht nur die Zahlen kennt, sondern wenn man weiß, welche Konse- quenzen sich daraus für das heutige Leben ergeben haben“, betont der Schulleiter. Die Projekte, die im Rahmen des Schulgeburtstags am 1. Oktober vorgestellt wurden, beschäftigten sich unter anderem mit Moltkeschülern in den Weltkriegen, Sprache früher und heute sowie biologischen, physikalischen und geografischen Errungenschaften der vergangenen 200 Jahre. Auch Musik, Sport und Kunst im Wandel der Zeit sind Themen.